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der ort als archiv – zum verhältnis von architektur, erinnerung und kollektiv

abstract privatissimum 19.10.2007

ingrid MANKA

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kollektive erinnerung entsteht nicht einfach, sie wird gemacht, erkämpft, unterdrückt. architektur als öffentlichste aller künste kommt dabei eine nicht unbedeutende rolle zu. der ort ist nach derrida eine der unumgänglichen grundlagen jeglichen archivs.

welche auswirkungen zeigt der kampf um die kollektive erinnerung auf den konkreten ort? welche rolle spielt der konkrete ort in gesellschaftlichen archivierungsprozessen? wie wird sich des konkreten ortes bedient? wessen geschichte(n) werden vor ort erzählt und damit archiviert?

 

als material dient mir bei meiner arbeit v.a. ein ort: das ehemalige reichsparteitagsgelände in nürnberg. die spezielle verwobenheit von vergangenheit und gegenwärtiger nutzung und bedeutung qualifizieren es  mit der daraus folgenden komplexität für eine analyse des verhältnisses von ort, erinnerung und kollektiv. bei meiner betrachtung des geländes geht es mir nicht, bzw. nur dort, wo es für meine untersuchung relevant ist, um historische gegeben–heiten. mein blick richtet sich auf die heutigen nutzungen des geländes, auf die kulturellen und politischen bedeutungsebenen, die sich aus diesen nutzungen, aber auch aus den nicht-nutzungen, den leerstellen ergeben. der ort ist in sich ambivalent und widersprüchlich, er kann keiner eindeutigen lösung zugeführt werden, "dem ort ist nicht zu helfen"[1]. doch gerade diese eigenartigkeit scheint ihn als untersuchungsmaterial zu qualifizieren. seine brüche und widersprüchlichkeiten im zusammenwirken von ort, erinnerung und kollektiv lassen sich nicht übergehen, geben hinweise auf ein allgemeiner gültiges verhältnis dieser drei felder in ihrem aktuellen wirken an anderen orten. so lässt sich z.b. die frage nach der masse, den menschen in grosser zahl an diesem ort nicht losbekommen. das reichsparteitagsgelände war und ist ein öffentlicher ort, der schon vor den nationalsozialisten wie auch weiter nach ihnen bis heute für massenkulturelle veranstaltungen genutzt wurde und wird.

 

meine betrachtung des konkreten ortes reichsparteitagsgelände geht dabei von einer perspektivisch gedachten vergangenheitskonstruktion aus, die einer umkämpften gegenwart dient. modell für den erinnerungsort ist die vorstellung eines veränderlichen palimpsests, mit seinen kontinuierlichen überschreibungen, auslöschungen und verschwinden von narrativen. hier folge ich auch dem von jan und aleida assmann entwickelten konzept einer interdiszipli–nären erinnerungskultur, die nach dem "wer", "warum" und "wie" der erinnerung fragt und mit letzterem verschiedene medien und kulturelle praxen gleichwertig in die vergangenheits–repräsentation einbezieht. die rolle des ortes im kollektiven erinnern möchte ich jedoch von der nahezu ausschliesslich metaphorischen verwendung – siehe z.b. aleida assmanns buch "erinnerungsräume" – wieder an seine konkreten, lokalen gegebenheiten zurückholen.

 

ein hauptfokus meiner arbeit liegt im umgang zeitgenössischer kunst mit durch vergangenheit "kontaminierten" orten, auch hier v.a. anhand von beispielen zum ehemaligen reichspartei–tagsgelände. kunst muss die funktionalen und affimierenden ansprüche an architektur nicht erfüllen. die ihr eigene spezielle funktionalität stellt mittel zur selbstreflektion, kritischem denken und sozialer veränderung bereit, die damit auch der untersuchung des verhältnisses von architektur, erinnerung und kollektiv dienen können.



[1] friedrich achleitner, erben und erhalten, in: erbe verweigert – österreich und ns-architektur, tagungsband, hg. österreichisches bundesdenkmalamt, wien 2007, 123